Mittwoch, 20. Mai 2015

Familienbands/bande

Um die Jahrtausendwende gab es in Baton Rouge, Louisiana, eine junge Band namens Red Stick Ramblers (red stick, roter Stab oder Stock, ist die wörtliche Übersetzung von baton rouge und ein Spitzname für die Stadt), Collegestudenten der Louisiana State University, die Cajun und Louisiana Traditionals, Western Swing und Anderes spielten, unbekümmert und natürlich und mit einer gekonnt sparsamen Instrumentierung, bei der jedes Instrument Gehör fand (zum Beispiel im "Main Street Blues"). Den Kern der Band bildeten damals die beiden Freunde Linzay Young und Joel Savoy, wobei Linzay der Sänger und Frauenschwarm war und der zurückhaltendere Joel die Fiddel virtuos bediente. (Es gibt von 2009 eine CD nur mit den beiden und hier ein Lied auf Youtube). Joel war damals bei einer Kollegin von mir im Französischkurs und sein kleiner Bruder Wilson Savoy, der irgendwie auch überall mitspielte (vor allem Akkordeon), war ein äußerst talentierter Student in meinem Deutschkurs. Mit in der Band war auch Ricky Rees am Großmutterbass, der jetzt in Austin, Texas, bei den Soul Supporters spielt. Linzay Young führte die Band noch bis 2013 weiter, brachte in der Koch-Reise-Sendung No Reservations Anthony Bourdain echtes Cajun-Essen nahe (siehe auch hier im Blog) und weihte in der Fernsehserie Treme die Geigerin Lucia Micarelli ins Fiddelspielen ein (auch hier im Blog).
Die beiden Savoy-Brüder entstammen einer Cajun-Musikerfamilie und spielen auch heute noch mit ihren Eltern Marc und Ann Savoy in der Savoy Family Cajun Band (in dem Video auf ihrer Webseite mit einer wunderbaren akustischen Version links Wilson und rechts daneben Joel). Das Ehepaar spielt seit 1977 zusammen und immer wieder auch mit dem berühmten Michael Doucet von Beausoleil.
Als ich mir jetzt meine Red Stick Ramblers-CD wieder einmal angehört habe, fing ich auch ein bisschen an zu gugeln. Und siehe da, Wilson Savoy hat eine Band namens Pine Leaf Boys und ist auch Filmemacher. Joel Savoy hat ein Plattenlabel namens Valcour Records und das Aufnahmestudio SavoyFaire. Er ist mit Kelli Jones-Savoy verheiratet, die aus einer Musikerfamilie in North Carolina stammt, und musiziert auch mit ihr, und Linzay Young ist mit Emma verheiratet und spielt jetzt auch gemeinsam mit ihr und ihren Eltern in der Good & Young Band. Die beiden Paare spielen auch zusammen als Double Date, hier ihre Aufnahme von "I’m Tyin’ Up The Blues". Sehr hübsch auch "I’ll Be There". Irgendwie klingt das ziemlich nach Happy End.
Jetzt hier und heute in Berlin habe ich auch eine Lieblingsband, die überhaupt nichts mit Louisiana zu tun hat, ganz andere Musik macht, aber im weitesten Sinne auch eine Familienband ist: Yellow Bird (benannt nach dem gleichnamigen Lied von Harry Belafonte). Zum ersten Mal erlebt habe ich sie bei einem Konzert 2012 in der Kugelbahn im Wedding, das auch ihre kanadische Ein-Mann-Vorband Martin Gallop bei ihrem CD-Release-Konzert im Februar erwähnte. Angefangen hat die Band mit dem Paar Manon Kahle und Uli Kempendorff, sie Amerikanerin aus den Appalachen in Vermont, er Berliner mit einschlägiger USA-Erfahrung. Manon mit glockenklarer Stimme, die auch Ukulele spielt, singt in close harmony mit der samtdunkel klingenden Schweizerin Lucia Cadotsch; es spielen an der Gitarre Ronny Graupe, an verschiedenen Klarinetten Uli Kempendorff und am Schlagzeug Michael Griener. Die Band spielt Americana, Country und Folk mit Spielfreude, Witz und einer klar aus dem Jazz kommenden Haltung, durch die alles irgendwie frisch und zugleich tief und echt klingt und einen Alte-Welt-Touch bekommt. Schön und toll instrumentiert sind sie alle, doch meine Favoriten sind "I Don't Believe You've Met My Baby" und "Hello Stranger". Inzwischen rückt Yellow Bird auch mit neuen, eigenen Liedern heraus, die Tolles für die Zukunft erahnen lassen. Es gibt eine sehr aktuelle Webseite, die eingehendes Surfen verdient, von Manon Kahle gestaltete Videos, und immer wieder Live-Konzerte, zum Beispiel am 5. Juni auf dem Stolze Openair-Festival in Zürich und am 6. Juni auf dem Stadtfest Eberswalde. Vielleicht fliegt ja spätestens dort neuen Fans ein gelbes Vögelchen zu.