Freitag, 6. September 2013

Shotgun-Häuser


Der Häuserstil, um den es hier geht, hat mit der hohen Mordrate in New Orleans nichts zu tun (erst letzte Woche sind zwei Babys erschossen worden). Und doch ist er so verbreitet, dass er sich auch in den ärmeren Vierteln mit hoher Kriminalität findet, aber auch in den schöneren Gegenden. In einigen der Häuser mögen tatsächlich auch Flinten herumstehen.
Dem Mythos nach heißen diese Schrotflinten-Häuser so, weil die Räume ohne Flur hintereinander angeordnet sind, so dass alle außer dem ersten und letzten Raum Durchgangszimmer sind. Rein theoretisch könnte man also bei geöffneten Türen durch das Haus hindurch schießen (oder, weniger schusswaffenorientiert, einen Stein hindurch werfen oder eine Feige oder ein volles Portemonnaie). Forschungen haben jedoch ergeben, dass der Name vermutlich von dem afrikanischen Wort to-gun oder shogon hergeleitet ist und, so wie der Haustyp selbst, mit afrikanischen Sklaven und Ex-Sklaven über Hispaniola (also vor allem Haiti) nach New Orleans gelangte, von wo er sich über weite Teile des Landes verbreitete.
Das Haus hat vorn und hinten kleine Veranden, die das Haus beschatten, es zur Gemeinschaft hin öffnen und zum Sitzen einladen. Das ist das typisch Afrikanische an diesen Häusern, das auch die Lebensart in New Orleans prägt. Noch mehr als Weiße sitzen Afroamerikaner vor dem Haus, ohne scheinbar etwas zu tun, außer vielleicht reden. 
Die Decken sind relativ hoch, um das Haus zu kühlen, und durch die geöffneten Türen kann die Brise wehen. Obwohl es aus Holz gebaut ist, eignet es sich für das subtropische Klima. Leider sind solche althergebrachten, weisen Techniken heute fast hinfällig geworden, weil alle nur noch frostige, per Klimaanlage gekühlte Räume gewöhnt sind, wo man sich oft besser ein Strickjäckchen anzieht. Die Häuser stehen immer erhöht auf kleinen Ziegelpfeilern.
Es gibt die normalen, einfachen Shotgun-Häuser, es gibt die Double Shotguns, wo praktisch zwei spiegelgleiche Gewehrläufe nur durch die gemeinsame Mittelwand getrennt von vorn nach hinten verlaufen und es gibt das Camelback Shotgun, bei dem wie ein Kamelhöcker im hinteren Teil ein oder zwei Räume aufgestockt und über eine Treppe zu erreichen sind. So eines habe ich noch nicht von innen gesehen und muss es unbedingt nachholen.
Meine Freundin wohnte einige Jahre in einem sehr schönen Shotgun-Haus an der General Pershing Street mit 5 Räumen, einer davon das Bad und ganz hinten die Küche. Auch einige der Häuser in Brad Pitts Make It Right NOLA-Projekt mit umweltfreundlicher Gestaltung und Ausstattung sind ihrem Grundriss nach von Shotgun-Häusern inspiriert.
Noch eine Bemerkung zu dem Wort NOLA für New Orleans, Louisiana. Es ist ganz praktisch, wenn man z.B. eine E-Mail schreibt oder auf die Schnelle eine Notiz macht. Und doch klingt es irgendwie fremd und beflissen, so wie auch Prenzlberg gar nicht mehr geht, obwohl es als Prenzl. Berg zu DDR-Zeiten okay war. Wir haben damals NO geschrieben und sagen tut man nach wie vor New Orleans. In diesem interessanten Blog-Eintrag zur Gentrifizierung und einer weißen Perspektive auf New Orleans schreibt die Autorin sogar von der Zeit vor Katrina „als wir noch New Orleans und noch nicht NOLA waren“. NOLA steht für sie für den Ausverkauf, das Touristischmachen, die Gentrifizierung der Stadt.
Mehr über Shotgun-Häuser findet sich in Wikipedia, und Fotos der verschiedenen Typen mit einfachem, zweifachem (two-bay) oder dreifachem Eingang und verschiedener Ornamentik unter Google-Bilder. Diese Häuser wurden übrigens vorwiegend zwischen 1820 und 1930 gebaut. Eine ausführliche, englischsprachige Darstellung mit Fotos hier.

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