Freitag, 3. Mai 2013

Wieder da!

Manchmal gibt es so Phasen, wo sich die Arbeit über alles andere legt, wie der chinesische Liguster, der den ganzen Süden der USA langsam überwuchert oder wie vielleicht die Lava, die sich über Pompei legte. Dann nimmt mich die Arbeit in Beschlag, so dass für andere Gedanken (und Gefühle) kaum Platz ist. Jetzt ist es vorbei.
In New Orleans ist derweil das erste Jazzfestwochenende gekommen und gegangen ebenso wie das Festival International in Lafayette, ein Deutscher (Andreas Raelert) hat knapp den Ironman gewonnen, die junge Lehrerin, die seit Anfang März vermisst wird, ist immer noch nicht gefunden worden, ein um fünf Uhr früh im French Quarter mit einem Gewehr bedrohter Passant hat dieses einfach umgedreht und den Gangster in die Flucht gejagt, wie ein Video zeigt. Es gab Tornadowarnungen und Tornados, Hagel und der Gouverneur Bobby Jindal setzt sich immer noch für Kreationismus an louisianischen Schulen ein.
Mit meinen Studenten habe ich letzte Woche über den Zusammenhang von Baumbestand und Einkommensstruktur eines Stadtviertels diskutiert, den eine Studie der University of Vermont an Hand von Satellitenphotos für Washington, D.C. herstellte (das trifft auch auf andere Städte zu, zum Beispiel New Orleans, weiß ich aus Erfahrung, aber mit Satellitenphotos macht es mehr her). Wir sprachen darüber, ob also Baumpflanzen das Einkommen verbessern würde (wohl nur wenig und langfristig) und warum manche Leute gar nicht mehr Bäume in ihrem Viertel haben wollen (Blätter harken, Pollen für Allergiker, Schatten für Drogenhändler, Angst vor Gentrifizierung). Hier.
Wir haben auch einen Text gelesen, in dem es darum ging, dass nach den Bombenanschlägen in Boston übereifrige Internetsurfer aus den Fotos zwei dunkelhäutige junge Männer mit Baseballkappen und Sporttaschen (fälschlicherweise) als mögliche Täter identifiziert haben, die New York Post hat das auf der Titelseite abgedruckt, und der eine junge Mann erzählte, dass er nicht nur angesprochen und auf Facebook beschuldigt wurde, sondern tatsächlich auch Angst um sein Leben hatte. Wir sprachen also über die Gefahren der sozialen Medien und ob man so etwas hätte verhindern können. Hier.
Ich musste dann noch an etwas Anderes denken. Die Tageszeitung Boston Globe, so wird berichtet, war in diesen Tagen der Angst und Hysterie eine seriöse, unermüdliche Informationsquelle für die Bostoner und stellte seine Internetinhalte kostenlos zur Verfügung. Am 22. April 2013 wurden 60 Kartons mit Pizza an die Nachrichtenabteilung geliefert, als kleiner Akt der Solidarität seitens der Chicago Tribune, die sich für die gute Arbeit bedankten und schrieben: "Ihr macht uns als Journalisten stolz."
Das erinnerte mich an die heldenhafte Arbeit der New Orleans Times-Picayune während Katrina, die in einem Keller rund um die Uhr natürlich nur im Internet publizierten, und den Geflüchteten, Verstreuten und Traumatisierten Informationen und Halt gab. Das kann Journalismus, das kann das Internet -- wenn man es lässt. 
Übrigens sollen sowohl der Boston Globe als auch die Chicago Tribune verkauft werden. Die Times-Picayune ist immer noch die seriöseste Informationsquelle, aber man hat sie minimiert, ausgenommen, seelenlos gemacht. Wenn ich jetzt dort Artikel sehen will, tauchen kleine Fenster mit schreienden Werbefilmen auf Deutsch auf (Haarprodukte usw.), die sich nicht ausschalten lassen.

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