Dienstag, 11. Dezember 2012

Ich und Janis Joplin

1977 bekamen wir unseren STERN-Rekorder, ein schweres, aber tragbares Gerät mit hölzernem Holzfurniergehäuse. Er hat uns viele Jahre lang gute Dienste getan und eröffnete uns die Welt der Pop- und Rockmusik. Man konnte Hits aus dem Westradio (SFBeat) aufnehmen, meist ohne Anfang, oder manchmal auch bei den Armeesendern AFN und BFBS. Bei Duett - Musik für den Rekorder im Berliner Rundfunk konnte man ganze (West-)Schallplatten aufnehmen, sorgsam vorher angesagt, oder man hatte Freunde, die einem Platten überspielten, die sie von ihren Westverwandten bekommen hatten. Am Anfang bin ich beim Aufnehmen auf Zehenspitzen herumgetappt, und bis heute sind moderne Tonträger ein großes Wunder für mich. 
Dann gab es noch das Problem der Texte. Selten konnte man sie von den Originalplatten abschreiben, oder jemand, der auch Gitarre spielte, hatte sie von irgendwo mit Griffen. Meistens war es die klassische Methode, vor- und zurückspulen, aufschreiben, im winzigen Wörterbuch meiner Eltern nachschlagen, und nicht immer passte es. Trotzdem eine gute Art, Englisch zu lernen.
Auf diese Weise wurde ich also ein zaghafter Ost-Hippie mit schlapprigen Klamotten und Gedanken für die Sorgen und Probleme dieser Welt. Ich wurde Janis-Joplin-Fan, lange nachdem sie tot war, und die Beatles entdeckte ich erst so richtig nach John Lennons Tod 1980.
Gestern Abend habe ich mir im Internet zwei kurze Sendungen des ZDF angesehen. Die eine, History, befasste sich mit jung gestorbenen Kultkünstlern, darunter auch Janis Joplin (1943-1970). Auf Wikipedia las ich dann, dass sie aus Texas stammte und in Louisiana gearbeitet hat, bevor sie ihre Karriere startete. Und so sang ich "Me and Bobby McGee" vor mich hin... und verstand einige Worte zum ersten Mal . Bei "I took my harpoon out of my dirty red bandanna" habe ich mich zum Beispiel immer gefragt, wie sie ihre Mundharmonika aus ihrem Stirnband nehmen konnte. Aber natürlich kann ein Bandanna fast alles, das Haar zurückhalten, Halstuch sein, Taschentuch oder man kann eben seine Mundharmonika darin einwickeln. "Busted flat in Baton Rouge" hatte man mir damals gesagt, hieße "abgebrannt", und irgendwo stimmt das sicher auch, aber vor allem höre ich darin auch den "busted flat" (tire), also einen geplatzten Reifen, einen Platten. Und offenbar gab es in Baton Rouge  Ende der 60er/Anfang der 70er noch einen Bahnhof. Die hohen Gleise durchziehen zwar immer noch die ganze Stadt, aber der historische Bahnhof ist jetzt ein Kunst- und Wissenschaftsmuseum. Hier die erste Strophe:
Busted flat in Baton Rouge,
Waiting for the train, 
Feeling nearly as faded as my jeans.
Bobby thumbed a Diesel down,
Just before it rained,
Took us all the way to New Orleans.
Die Sendung über die Beatles zeigte sie vor allem als Tourband: die schreckliche Kreischkulisse, die überall ihre Musik übertönte, die Nachstellungen der Fans, die dilettantisch-gefährliche Durchführung der Tourneen, drei Mal auch in den USA. Spielort Nr. 16 der zweiten Tour war New Orleans, wo sie am 16. September 1964 im City Park Stadium vor 12000 Fans spielten, 200 davon brachen vor Aufregung und Erschöpfung zusammen. 
In New Orleans waren sie keine 24 Stunden und haben wahrscheinlich keinen guten Eindruck bekommen. Der Hubschrauber, der sie vom Flughafen abholen sollte, hatte einen Platten. Während des Konzerts brachen Fans durch die Absperrungen und rannten auf das Spielfeld. Ein Fan gelangte sogar hinter die Bühne ganz nah an Ringo Starr heran. Untergebracht waren sie in einem Motel am Chef Menteur Highway, auch belagert von den Fans. Nach ihrer Abreise wurde, wie in den anderen Städten auch, ihre Bettwäsche in Stücke geschnitten und als Souvenir verscherbelt, und nicht nur das, sondern auch die Mikrofonkabel und Mikrofone. Es gab das Gerücht, das Konzert in New Orleans wäre finanziell ein Reinfall gewesen. Der Veranstalter hat das aber dementiert, noch dazu hatte er sich  die Regenversicherung gespart, und tatsächlich sammelten sich zwar die Wolken, aber erst nach dem Konzert fing es an, heftig zu gewittern. 
Ein paar nette Begegnungen hatten sie aber doch: Der damalige Bürgermeister Victor Schiro hatte den Tag zum Beatles Day erklärt und überreichte ihnen einen Schlüssel für die Stadt. Ihr Idol Fats Domino besuchte sie vor dem Konzert kurz in der Garderobe. Paul McCartney meinte: "Er trug eine sehr große sternförmige Diamantuhr, die uns sehr beeindruckt hat." Artikel hier und hier und ein Foto mit Fats Domino, auf dem sogar die Sternenuhr zu erkennen ist.

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