Mittwoch, 31. Oktober 2012

Katrina, Rita, Irene, Isaac, Sandy


Teile von New York und anderen Städten stehen unter Wasser, es gab Brände, unzählige Bäume sind umgestürzt, Menschen gestorben. 7,5 Millionen Menschen an der Ostküste waren ohne Strom, die Skyline in Manhattan im Dunkeln. In 16 Bundesstaaten sind Notunterkünfte des Roten Kreuzes eingerichtet. Die New York Times titelt, dass es Tage dauern wird, bis alles wieder normal läuft. Allein wie ein so gigantisches unterirdisches System wie die New Yorker U-Bahn (das sicher ohnehin nur funktioniert, weil es noch steinalt und mechanisch ist) wieder in Gang kommen soll, ist unvorstellbar. Noch dazu, wenn in den Tunneln immer noch das Wasser steht. Ich bin gern in New York und ich mag Washington und viele andere Orte, die betroffen sind.
Und doch dachte ich gestern kurz: „Jetzt sehen die mal, wie das ist.“ Und fragte mich gleich, wer genau sind „die“? Es sind natürlich nicht meine Freunde und Bekannten an der Ostküste, es sind nicht die Leute, die gestorben sind oder denen der Wind in Chelsea die Fassade zu ihren Wohnungen weggerissen hat. Aber dort, wo viele der Macher wirken, ist Sandy plötzlich einfach vor die Haustür gekommen und rückt ins Bewusstsein, was so ein Hurrikan bedeutet. Wie wichtig die FEMA (die Bundeskatastrophenbehörde) ist, die unter George Bush degradiert wurde, und die Mitt Romney weiter reduzieren und deren Verantwortung er den einzelnen Bundesstaaten auferlegen will. Dass Ausmaß und Häufigkeit von Naturkatastrophen zugenommen haben und der Zusammenhang mit der Erderwärmung ist so offensichtlich, dass sich Wissenschaftler eigentlich endlich nicht mehr für diese Erkenntnis erklären und verteidigen müssten. Manchen Republikanern gegenüber müssen sie das immer noch, und auch der liebenswürdige Obama ist in dieser wie auch in vielerlei anderer Hinsicht sehr zögerlich geworden.
Möge der Hurrikan all denjenigen, die über New Orleans und Louisiana den Kopf schütteln, ein Licht aufgehen lassen. Denen, die denken, dass nur Verlierer und Faulenzer in einer Gegend wohnen, die immer wieder überflutet. Dass diejenigen, die auf Häuserdächern, in Notunterkünften, auf Brücken, durch das Wasser watend gezeigt wurden, minderwertig und dumm oder vielleicht auch sündhaft sind und ihr Schicksal irgendwie verdient haben.
Viele Amerikaner schämen sich zutiefst für Katrina, sind schockiert, dass ihr Land eine Stadt und ihre Menschen so im Stich gelassen hat, dass so etwas in ihrem Land möglich war. Das höre ich, das lese ich immer wieder, auch bei den jetzigen Berichterstattungen wird der Vergleich zu Katrina gezogen.
Selbst in dem absurden, mit popkulturellen gespickten Zombieroman Brains von Robin Becker gibt es zum Schluss eine winzige Passage des, ja, Gedenkens an Katrina. Zombieprofessor Jack Barnes, der schreiben, aber nicht mehr sprechen kann, nähert sich mit seiner Gruppe denkender Zombies auf einem Boot dem Ufer, wo ein paar Soldaten und andere sie erwarten. Er hält ein Schild hoch: WE ARE YOU! (Wir sind ihr.) Sein Begleiter schlägt vor, die Soldaten anzusprechen:
 „... sobald sie wissen, dass ich sprechen kann, können sie uns nicht umbringen.
[Jack:] Ich traute dem Militär nicht. Ich dachte an Hurrikan Katrina. Die Amerikaner dort konnten sprechen. Die Amerikaner dort hatten genau wie ich Schilder hochgehalten. Auf Dächern gestrandet, von steigenden Fluten umgeben. Hilft uns, stand auf den Schildern. Rettet uns.“
(„...once they know I can speak, they can’t kill us.“
I didn’t trust the military. I remembered Hurricane Katrina. Those Americans could speak. In fact, those Americans held up signs just as I had. Stranded on rooftops, the floodwater rising. Help us, the signs said. Save us.)
Möge Hurrikan Sandy auch den letzten ein Licht aufgehen lassen.

Sonntag, 28. Oktober 2012

Alice Kessler-Harris: A Difficult Woman


Vor knapp zwei Jahren notierte ich mir zu meinem ersten Buch von Lillian Hellman, An Unfinished Woman (Eine unfertige Frau): „So ein umwerfendes, offenes Buch! New Orleans, New York, Hollywood, Spanischer Bürgerkrieg, Sowjetunion im Krieg, immer wieder Moskau, die schwierige Liebe zu Dashiell Hammett. Eine Entdeckung!“ Es ist die rasante Autobiografie einer Diva, die während des Bürgerkrieges nach Spanien reist, im 2. Weltkrieg über Alaska und Sibirien nach Moskau und an die Front, Hemingway und anderen großen Namen begegnet und über ihre lange Beziehung zu Dashiell Hammett berichtet. Ich habe das Buch verschlungen und zu einem meiner Lieblingsbücher erklärt. Etwas später versuchte ich es mit Maybe (Vielleicht), doch das war mir zu persönlich und zu viel Klatsch. Als ich dann las, dass Mary McCarthy über Lillian Hellman meinte: „Jedes Wort, das sie schreibt, ist eine Lüge, einschließlich and und the“, war ich zutiefst enttäuscht. Was mich so begeistert hatte, alles erlogen? 
Sicher auch wegen dieser Bemerkung ist Lillian Hellmanns Ruhm selbst in den USA etwas verblichen. Dabei war sie in der Mitte und zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine bedeutende Theaterautorin, die erste Frau unter den erfolgreichen Dramatikern ihrer Zeit, als noch weniger Frauen als heute für die Bühne schrieben. Sie tat dies ausdrücklich als Dramatiker und nicht als Dramatikerin (woman playwright), und bezeichnete ihrerseits Mary McCarthy als „lady writer“. Auch nicht nett.
Aber so war sie, die Person Lillian Hellman, die ihre Zeit vermutlich ebenso stark geprägt hat wie die Schriftstellerin. So gibt es auch mehrere Biografien über sie, doch die Historikerin Alice Kessler-Harris (von der Columbia University) hat ihr jetzt eine ausführliche Biographie gewidmet, die sich ihrem Leben und Werk aus zeitgeschichtlicher Sicht annimmt. Das Buch heißt A Difficult Woman. The Challenging Life and Times of Lillian Hellman (Eine schwierige Frau. Die Herausforderung des Lebens und der Zeiten von Lillian Hellman, zum Bestellen bei Bloomsbury hier). Tatsächlich gehörte Lillian Hellman wohl zu jenen Frauen, die mir mit ihrer Zickigkeit und ihrem Eigensinn eine tiefe Mädchenangst einjagen. Aber als Persönlichkeit, die sich trotz verschiedenster Anfeindungen ihr Leben lang treu blieb, achte und schätze ich sie.
Lillian Hellman wurde 1905 in New Orleans geboren und verbrachte ihre Kindheit und Jugend abwechselnd dort und in New York. Sie heiratete jung, ließ sich wieder scheiden, hatte eine Abtreibung. Durch ihre Arbeit in einem Verlag, durch die Ehe und Freundschaft mit Schriftstellern und schließlich auch durch ihre Beziehung zu Dashiel Hammett fand sie selbst zum Schreiben. Zu ihren (hoch moralischen) Theaterstücken gehören The Children's Hour (1934; Kinderstunde), The Little Foxes (1939; Die kleinen Füchse) und Toys in the Attic (1959; Puppenstube).
Nach eigener Aussage blieb sie Südstaatlerin, geprägt durch ihre schwarze Amme Sophronia, und durch New Orleans, eine Stadt mit einem intensiven kulturellen Leben, eine Stadt, wo Schwarze und Weiße schon immer enger zusammenlebten als anderswo. Lillian Hellman war (deutschstämmige) Jüdin und im Sinne des tief verwurzelten Reformjudentums in New Orleans aufgewachsen, was sie von den orthodoxen osteuropäischen Einwanderern zweiter Generation, die in New York ihre Kollegen wurden, grundlegend unterschied.
Unter den Machoschriftstellern ihrer Zeit behauptete sie sich souverän, und gern band sie, auch verheiratete, auch jüngere, Männer freigiebig sexuell in ihr Leben ein, war sexuell selbstbestimmt und freizügig. Das nahm man ihr immer wieder übel. Man nahm ihr auch übel, dass sie nicht intellektuell war, sondern den Geschmack der durchschnittlichen Kulturkonsumenten (middlebrow) ansprach. Sie schaffte es nicht nur, unabhängig von ihrer Arbeit als Schriftstellerin zu leben, sondern durch geschickte und sparsame Verwaltung ihrer Finanzen sogar finanzielle Sicherheit und einigen Wohlstand für sich zu erwerben, was für Frauen ungewöhnlich war und eigentlich auch oft noch ist. Auch das nahmen ihr manche übel. 
Dass sie sich nicht mit den Zielen der Frauenbewegung identifizierte (sexuelle Befreiung, Gleichstellung im Öffentlichen wie im Privaten), brachte ihr viel Unverständnis ein. Auch hier war ihre Haltung konsequent: „Ob nun BH oder nicht BH, wer die Töpfe abwäscht, ob man ein Sexobjekt ist... hat sehr wenig Bedeutung, außer wenn die Frau, die die Tür hinter sich zuschlägt, sich selbst das Abendessen bezahlen und sich aus dem Winterwind in Sicherheit bringen kann.“ 
Sie blieb zeit Lebens unabhängig, und während Dashiell Hammett für seine Überzeugung in der McCarthy-Ära schweigend ins Gefängnis ging, machte sie sich Feinde, indem sie die Kollegen heftig kritisierte, die ihrerseits Kollegen und Freunde verraten hatten. Angst hatte auch sie, aber ihr störrisches Gerechtigkeitsbewusstsein brachte sie dazu, mit Hilfe ihrer Anwälte einen Brief zu verfassen, der ihr bei der Anhörung vor dem Komitee für Unamerikanische Aktivitäten mit etwas Glück zum Triumph verhalf.
Kurzfristig war sie auch Kommunistin gewesen und verteidigte die Sowjetunion noch, als andere sich wegen der Gewalt unter Stalin und wegen seines Vorgehens gegen Juden schon längst abgewandt hatten. Lillian Hellman war kaufsüchtig, eitel, nicht zu Kompromissen bereit, neigte zu Szenen und Unpässlichkeit, war lautstark und aufmüpfig. Sie war auch eine liebevolle und großzügige Freundin und Patentante, eine passionierte Dozentin am College, eine zurückhaltende, sehr feminine Frau.
All das weiß ich aus der umfang- und lehrreichen Biografie von Alice Kessler-Harris, die ihre unterschiedlichen Facetten in jeweils einem Kapitel betrachtet. Wenn der wissenschaftliche Duktus kurzzeitig das Lesen erschwerte, so ist es doch so gut geschrieben (und zugleich akribisch zitiert und dokumentiert), dass ein spannendes Porträt entsteht - der Frau Lillian Hellman, wie auch des Landes, in der Zeit, in der sie lebte. 
Ein ganzes Kapitel (Liar, Liar—Lügnerin, Lügnerin) befasst sich mit den Anschuldigungen von Mary McCarthy und den nachfolgenden zermürbenden Gerichtsprozessen. Lillian Hellman mag manches verdreht, falsch zugeordnet oder übertrieben haben, doch sicher nicht mehr als andere autobiografisch Schreibende. Die Suche nach der Wahrheit war ihr wichtig und immer wieder stellte sie sie in Frage. Die Fehde fand erst mit ihrem Tod 1984 ein Ende; Nora Ephron hat diese in dem Musiktheaterstück Imaginary Friends (Imaginäre Freundinnen) verarbeitet.
Ein wiederkehrendes Thema sind die (oft sehr gehässig formulierten) Aussagen, dass Lillian Hellman nicht schön war und es dennoch geschafft hatte, sich durchzusetzen. Für mich war Lillian Hellman schön genug und mich ärgert so etwas, besonders bei Frauen, wie auch der gegenwärtigen Bundeskanzlerin, deren Beruf Schönheit eigentlich nicht erforderlich macht und - was kann man schließlich für sein Aussehen? Ich nehme an, dass diese Beleidigungen zu Hellmans Lebzeiten genau so unverblümt fielen und dass die Biografin sie dokumentieren wollte. Aber (ver)störend sind sie dennoch.
In der deutschsprachigen Welt mag Lillian Hellman zu unbekannt sein, als dass eine solche Biografie ihr Publikum finden würde. Deshalb holt Euch zum Anwärmen, liebe Leser und liebe Leserinnen, ihre Autobiografie Eine unfertige Frau (in zwei verschiedenen Übersetzungen erhältlich) aus der Bibliothek. Alles, was Lillian Hellman darin beschreibt, hat sie so oder so ungefähr wahrscheinlich tatsächlich in etwa so erlebt.

Samstag, 27. Oktober 2012

Voodoo Experience und anderes


Die Red Stick Ramblers, eine Cajun-Band, die ich kannte, als wir alle noch jünger waren, spielt in dieser Saison in der Fernsehserie Treme als Hintergrundband der Geigerin Annie (Lucia Micarelli). Der Frontmann Linzay Young war auch in Anthony Bourdains No Reservations beim Kochen bei den Cajuns auf dem Lande zu sehen und dort spielte die Band auch, siehe hier. Dieses Wochenende sind sie im Acadian Village in Lafayette Gastgeber des 5. Blackpot-Festival and Cook-Off. Dort werden also Cajun-Bands musizieren, und gekocht wird auch, und zwar um die Wette. Es gibt eine Teilnahmegebühr und am Ende werden drei Preise für das beste Essen vergeben.
In New Orleans findet unterdessen noch bis morgen Voodoo Experience, ein Musikfestival, im City Park statt. Gestern spielte dort Neil Young mit Crazy Horse (hier übrigens seine Version von Fats Dominos "Walkin' To New Orleans") und auch ansonsten ist es einfach ein normales Festival mit einigen lokalen Brassbands und so weiter. Dieses Jahr soll  zum ersten Mal Camping im City Park angeboten werden, damit man unter den Sternen ruhen kann. Mit Voodoo hat das sicherlich nicht viel zu tun, auch wenn es unheimliche Kreaturen und Geräusche im Park geben mag.
Auf NPR habe ich gestern einen interessanten Beitrag über Voodoo, Drachen, Vampire und Zombies gehört, die der Wissenschaftsjournalist Matt Kaplan erforscht und mit natürlichen Zusammenhängen (meist Gasen) erklärt hat. Die Sendung findet man hier.
Interessiert hat mich das, weil ich im Moment gerade Brains. A Zombie Memoir (Hirn. Ein Zombie-Geschichte) von meiner Freundin Robin Becker lese. Eigentlich bin ich für so etwas zu zart besaitet, aber wer über absurde Details von körperlicher Zersetzung und Zerstörung hinwegsehen oder sie witzig finden kann, wird an dieser grotesken Geschichte große Freude haben. Es geht um einen Collegeprofessor, der als Zombie zwar nicht mehr sprechen, aber dafür noch rational denken und schreiben kann und Gleichgesinnte um sich schart, um eine Art Zombie-Revolte anzuzetteln. Weil ich jetzt manchmal nachts aufschrecke, bin ich froh, nicht im Park zu übernachten, sondern die heute Nacht zurückerstattete Stunde hier zu Hause in aller Ruhe auskosten zu können.

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Sarah Quintana im Studio in the Woods

Das idyllische Stipendiatenhaus in der Schweiz, in dem ich seit einer Woche zu Gast bin, ist seit gestern von dickem, schalldämpfendem Nebel umhangen. Und weil ich heute abreise, erlaube ich mir, kurz von einem anderen Haus zu träumen, das gelegentlich sicher auch von Nebel umhangen ist: Das Studio in the Woods, gleich hinter dem Damm gelegen, der die Fluten des Mississippi zurückhalten soll. Als ich es vor ein paar Wochen besucht habe, war die New Orleanser Musikerin Sarah Quintana dort Stipendiatin. Dieser Tage endet ihre Zeit dort. Heute Nachmittag, von 14-18Uhr lädt sie zur Tea Party, einem Konzert, wo sie mit Schüsseln und anderen improvisierten Instrumenten musizieren wird. Fahrt hin, wenn Ihr könnt. Ich schreibe bald mehr über sie und meinen Besuch dort. Auf Wiederluege!

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Kate Chopins Häuser in Louisiana

Auf der Fahrt von St. Louis über Arkansas nach Louisiana fuhr ich noch tagelang so eine kleine innere Distanz zu den USA herum und dachte mir, wie schön ich es doch in Berlin habe. Und das ist so!
Aber dann fuhr ich nicht wie sonst durch Mississippi, sondern eine andere Strecke durch Nordlouisiana und hielt in Nachitoches, einer kleinen historischen Stadt an einem Bayou mit einem kleinen Festival. 

Dort standen Southern Magnolias, die ich wegen ihrer emailleartigen Blätter und Blüten so liebe, und Bananenstauden und Lebenseichen und die Sonne brannte weich, wenn es so etwas gibt. Von wegen Distanz! Ich schmolz dahin. So ist eben Louisiana...
Unterwegs war ich aber eigentlich nach Cloutierville, wo Kate und Oscar Chopin seine Plantage betrieben und wo bis vor Kurzem ein Bayou Folk Museum an sie erinnerte. Das Museum ist vor einigen Jahren abgebrannt und wird wohl nicht mehr aufgebaut werden.
In New Orleans lebte Kate Chopin u.a. in diesem Haus, 1413 Louisiana Avenue.
Durch die Gitter dieses Hinterhofs habe ich erhofft (Ecke Magazine St. und Constantinople St.), einen Blick auf den Eingang einer weiteren ihrer Wohnungen zu erhaschen, aber es lässt sich nur vermuten.
Keine Plakette erinnert an Kate Chopin und außer der traurigen, verlassenen Ruine ihres ehemaligen Plantagenhauses gibt es keinen Ort des Erinnerns an eine der großen Schriftstellerinnen der USA. Und das schon oder nur etwas mehr als 100 Jahre nach ihrem Tod...


Spuren in St. Louis

Als ich im September zwischen St. Louis und New Orleans unterwegs war, bin ich ein wenig auf den Spuren von Kate Chopin gereist, d.h. ich habe versucht, ihre jeweiligen Adressen ausfindig zu machen. Kate Chopin stammte ja aus St. Louis und ihr Kindheitshaus steht wohl nicht mehr, u.a. weil die Straße nur noch ganz tief in der historischen Mitte zwei-drei Straßenzüge lang existiert und dann von einem ausgedehnten Kongresszentrum vereinnahmt wurde (3317 Morgan Street).




Aber ich war im Central West End und habe dort ihre kürzlich aufgestellte Büste gesehen, an einer Kreuzung, wo an jeweils einer Ecke auch T.S. Eliot und Tennessee Williams aufgereiht sind, die auch im Central West End geboren sind.
In diesem Viertel habe ich mir auch ihre Häuser angesehen.
In dieser Wohnung ganz oben links ist Tennessee Williams aufgewachsen (4633 Westminster Place).
Das majestätische Elternhaus von T.S. Eliot (4446 Westminster Place).
Das Wohnhaus, in dem Kate Chopin nach dem Tode ihres Mannes und ihrer Rückkehr in St. Louis wohnte und wo sie zur Schriftstellerin wurde (4232 McPherson Avenue).

Sonntag, 14. Oktober 2012

Cajun-Gewürzmischung


Ob der Fernsehkoch Alfons Schuhbeck schon mal in Louisiana war? Und dort neugierig Kopfdeckel angehoben oder sogar mitgekocht hat? Ich glaube nicht.
Vor kurzem ist nämlich seine Cajun Gewürzmischung Teil meines Haushalts geworden. Die Namen der Zutaten kenne ich: Knoblauch, Paprika edelsüß, Pfeffer, Zwiebeln, Cumin, Coriander, Chillies, Ingwer, Kümmel, Oregano, Curcuma, Thymian, und das gefällt mir. Auch dass einige extra mit C geschrieben wurden, wohl in Erinnerung an das C in Cajun (und Cnoblauch?). Ich habe es gleich aufgemacht und daran geschnuppert und besonders den Kreuzkümmel herausgerochen, den ich mir kürzlich für ein karibisches Bauch-weg-Rezept aus meinem Sportstudio zugelegt habe. "Cajun" roch es aber nicht.
Auf der Webseite steht dann „Traditionsmischung aus der karibischen Küche. Das Temperament der Karibik: exotisch, sonnig, mit feiner Schärfe.“ Nun gibt es in Südlouisiana zwar Cajuns und karibische Einflüsse, aber sie sind nicht dasselbe. In der Karibik leben vor allem die Nachfahren afrikanischer Sklaven, von denen einige, zum Beispiel Haitianer nach der Befreiung nach Louisiana kamen. Viele von ihnen werden heute zu den Kreolen gezählt
Die Cajuns wiederum sind eigentlich Franzosen, die vor vielen Jahrhunderten (Ende des 16. Jhd.) nach Kanada auswanderten und ihren besonderen altmodischen Dialekt mitnahmen und bewahrten. Ihre Provinz, zu der übrigens auch Teile des Bundesstaates Maine gehörten -- deshalb gibt es dort auch noch eine französischsprachige Minderheit -- nannten sie Acadia. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Region britisch und die Briten forderten, dass sich die Akadier der britischen Krone unterwerfen. Als sie sich weigerten, wurden sie 1755 deportiert, wobei viele starben. Die meisten der Akadier, die es schafften, kamen den Mississippi herunter nach Louisiana, das damals französische Kolonie war. Dort ließen sie sich in den Wäldern und an den Bayous nieder und lebten von der Landwirtschaft und vom Fischfang. (Weil sich auf dem sumpfigen Boden Rinder nicht gut halten lassen, ist – anders als in den übrigen USA -- Schweinefleisch fester Bestandteil der Cajun-Küche.) Aus den Acadiens wurden (durch sprachliche Abschleifung) die Cajuns, die lange Zeit mehr oder weniger ungestört vor sich hin lebten, nicht üppig, aber indem sie ihre Sprache weiter sprachen, die sie mit gelegentlichen englischen Einsprengseln versahen, und eine lebendige Ess-, Musik- und Tanzkultur pflegten.
Karibik stimmt wiederum metaphorisch, denn die Cajuns lebten in einer völlig neuen natürlichen Umgebung in enger Nachbarschaft mit Schwarzen, Indianern und europäischen Einwanderern und wurden natürlich auch von diesen beeinflusst.
Und so hat Herr Schuhbeck dann doch wieder alles richtig gemacht. 
(Zur Information wird hier übrigens vor Essen gewarnt, das sich New Orleans, Cajun usw. nennt.)

Freitag, 12. Oktober 2012

Facebook...

... is evil -- Facebook ist böse; das lesen wir vor allem auf dieser Seite des Atlantiks immer wieder und es hat mich vorsichtig gemacht. Es ist aber ein geniales Gerät, um über die Kontinente hinweg sofort und ohne Verzögerung verbunden zu sein und über die Entfernung auf dem Laufenden zu bleiben. Als ich heute früh angeschaltet und hineingesehen habe, gab es da Neues von der Audubon Plantation bei St. Francisville (die Schmiede wird wieder hergerichtet), aktuelle Fotos von meiner Cousine und seitenlange Live-Posts, die zwei Literatinnen während der Vizepräsidentendebatte blitzschnell als Kommentare hineingestellt haben. So witzig, so informativ! 
Darüber dass Paul Ryan "You see" und "Look" wie Obama verwendet, zwei Kriege auf Kreditkarte finanziert wurden, Ryan als Philosoph?: "Man kann denselben Dollar nicht zwei Mal ausgeben.", die Verbindung zwischen katholischem Glauben und Ultraschall (übrigens ist auch Joe Biden katholisch), wie die Satiresendung Saturday Night Live das Ganze wohl verarbeiten wird... 
Wie es der Zufall so will, kennen sich die beiden und haben eine Verbindung nach Louisiana. Die Übersetzerin, Autorin, Professorin und Occupy-Wall-Street-Chronistin und -Aktivistin Susan Bernofsky, die ich hier schon einmal erwähnt habe, ist in New Orleans aufgewachsen. Sie verfasst auch den Blog Translationista über Übersetzerisches.
Die Lyrikerin Laura Mullen aus Kalifornien ist seit einigen Jahren Lyrik-Professorin an der Louisiana State University in Baton Rouge. Vor einigen Wochen war ich bei einer Performance und Lesung aus ihrem neuesten Band Enduring Freedom: A Little Book of Mechanical Brides (Dauerhafte Freiheit: Ein kleines Buch der mechanischen Bräute; eine Anspielung auf die Militäroperation gegen den Terrorismus unter Präsident Bush) in der Baton Rouge Gallery. Laura trug ein Brautkleid, das sie sich für gewöhnlich vom Leibe schneiden lässt, hier allerdings nicht. Dafür gab es zum Schluss echte Hochzeitstorte, die zwei Damen von der Ambrosia Bakery auch geschnitten haben (dort gibt es zur Karnevalszeiten auch hervorragenden Kingcake, besonders zu empfehlen: Zulu Kingcake mit Schokolade und einem braunen Baby). Laura lief herum und rief: "This the best day of my life!" (Das ist der schönste Tag meines Lebens.) 
Auf meine Frage, einen Tag später, wie es ihr in Louisiana denn so ergangen sei, sagte Laura nachdenklich: "Louisiana has been deeply good for me" (Louisiana tut mir zutiefst gut). Und weil ich das so berührend fand, hat sie es dann gleich noch einmal gesagt. 

Donnerstag, 11. Oktober 2012

On the Road - Unterwegs


Ihren Werken nach zu urteilen, waren die französischen Surrealisten ein wilder Haufen, mit ihrer Lust auf Sex, Drugs und das Unterbewusstsein, angestiftet von Übersetzungen der Bücher des Herrn Freud. Ihre Experimente waren ungewöhnlich und gewagt, ihr Verschleiß an Musen natürlich groß, obwohl einige davon, Leonora Carrington zum Beispiel, selbst große Künstlerinnen wurden. Dann sieht man aber ein Foto von ihnen und da stehen sie wie zum Klassenfoto aufgereiht, mit Anzug und Krawatte, gern auch Tweed, und bloß nicht lächeln. Ganz wie der Gentleman’s Klub, der sie letztendlich waren, mit Manifesten und Aufnahmeritualen, Ausschlüssen und ihr Chef, André Breton, brachte es im New Yorker Exil nicht einmal übers Herz, Englisch zu lernen.
Die Beatniks, USA Ende der vierziger Jahre und fünfziger Jahre, sind eher eine Generation als eine Kunstrichtung, und während es immer wieder Hippies, ihre Nachfolger, gibt, so altern Beats  eigentlich nur noch und sterben langsam aus (außer vielleicht Lawrence Ferlinghetti). Sie lebten das Extrem, experimentierten mit dem Leben, ähnlich wie der Franzose Boris Vian, der zeitgleich im Dunstfeld der Existentialisten wirkte (gest. 1954).
In der Person von Jack Kerouac verbinden sich gewissermaßen Alte und Neue Welt (so wie auch in der Lost Generation um Gertrude Stein und Ernest Hemingway, die in Paris lebte): Dabei wird gern vergessen, dass der Verfasser der großen Hymne und des Quasi-Manifests der Beatniks, On the Road, der französischsprachigen Minderheit in Massachusetts entstammte und also in einer Fremdsprache schrieb. Vor einiger Zeit wurde sein französischsprachiges Manuskript mit dem Titel Sur le chemin (Unterwegs) entdeckt, das im lokalen Dialekt geschrieben ist und deshalb erdig und fast kindlich klingt (hier finden sich einige kurze Ausschnitte). 
In dem Film On the Road, der derzeit im Kino läuft, wird das Französische mehrmals kurz in Szenen mit seiner Mutter angedeutet, vermutlich wegen der französischen Koproduzenten, denn ansonsten schert das kaum jemanden. Allerdings gilt in den USA, so mein Eindruck, eher Allen Ginsberg mit dem Poem Howl als die große Stimme der Beat Generation.
Anders als das Buch muss sich der Film zur leidigen Kleider- und Frisurfrage verhalten. Wenn es um  lange, anarchische Überlandfahrten, Drogen, Sex in allen Konstellationen, wilden jugendlichen Überschuss an Testosteron geht, dann kann man die Darsteller doch nicht mit Schmachtlocke, kariertem Hemd und Hängeschultern herumlaufen lassen. Oder? Nur Kirsten Dunst als Deans Frau Camille trägt das Haar in der Nackenrolle der Zeit und schafft es, authentisch zu wirken und mich mitfühlen zu lassen, eine gute Schauspielerin, dachte ich mir. Sonst trägt man vor allem H&M-Ähnliches, Kristen Stewart noch dazu ein gelangweilt-verführerisches Schmollmündchen oder gar nichts, der Darsteller von Dean Moriarty, alias Neal Cassady, ist überhaupt zu gut und glatt aussehend für die Rolle, Kerouac wird hier zum schmierigen Mitläufer und Resteabfasser und insgesamt war mir der Habitus der Hauptdarsteller zu modern. 
Dem puren Hedonismus ohne Tiefgang wird immer mal wieder Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit entgegen gehalten, allerdings, wie mein Begleiter meinte, eher wie eine Monstranz vor sich her getragen, als dass man ihnen abnehmen würde, dass es einer von ihnen wirklich liest. (Mir ist dann auch eingefallen, dass die im Film gezeigte englische Übersetzung In Search of Lost Time erst 1992 erschienen ist und Ende der vierziger Jahre noch die erste Übersetzung mit dem kanonischen Titel Remembrance of Times Past in aller Munde und Hände war. Fällt das unter "Continuity"?)
So ist jedoch in meiner Erinnerung das Buch: eine rastlose Suche, ein Aufbruch ohne Ziel, Rebellen auf der Suche nach ihrer Sache (frei nach Rebels Without A Cause). Gelesen habe ich es schon Anfang/Mitte der achtziger Jahre in der Übersetzung von Bernhard Scheller; für die neue nach der Urfassung war "das Presse-Kontingent erschöpft".
Übrigens: Natürlich fährt die Bande auch nach New Orleans, und hält sich einige Tage im wunderbaren Landhaus von William Burroughs und seiner Frau auf. Es befindet sich in Algiers, gleich gegenüber von New Orleans auf der Westbank (in Bridge City, auch auf der Westbank, gedreht), ein traumhaftes Plantagenhaus mit hoher Terrasse, umgeben von Bäumen mit Spanischmoos und lauthals röhrenden Grillen, Licht wie bei Van Gogh, eine warme Paradies-Oase, ein Innehalten en famille in diesem ansonsten irgendwie kalten Film.
Trotzdem vergingen die 124 Minuten schneller als befürchtet, die Exzesse machen atemlos und die Kamera zeigt die USA von weiter, poetischer Schönheit in krisseligen, grellen Bildern wie in den Motorcycle Diaries. Dem Buch wird der Film nicht so recht gerecht, zu viel Hochglanz, zu viel Hollywood, zu viel kalkulierte Transgression. Und doch wäre ich neugierig zu sehen, wie die Surrealisten in einem Film von Regisseur Walter Salles wegkommen würden.

Sonntag, 7. Oktober 2012

The Lucky One


Louvers (oder Britisch: louvres) ist Englisch für die schräg gestellten Leisten, zum Beispiel an Fensterläden, die auf Deutsch meist als Lamellen bezeichnet werden. Lamellen heißen auch die Membranen auf der Unterseite von Pilzen und deshalb bin ich mit dem deutschen Wort nicht ganz zufrieden, denn anders als vielleicht die filigranen Lamellen an den Plastejalousien (mini blinds) aus China, sind Louvers an Fensterläden, französischen Türen und anderswo sehr stabil und starr und aus festem Holz, für die Jahrhunderte gebaut. 
Für mich und für die Filmindustrie sind Louvers Hinweis und Symbol für den amerikanischen Süden, besonders Louisiana, wo sie zur traditionellen (und wie das Brad-Pitt-Projekt Make It Right Nola zeigt auch zur modernen) Architektur einfach dazugehören, in Form von Fenster- oder Türläden, aber nicht nur. So gesehen zum Beispiel in der Verfilmung von Endstation Sehnsucht oder in Unterwegs nach Jack Kerouac, der derzeit in den Kinos läuft.
Auf dem langen Flug habe ich The Best Marigold Hotel gesehen – ein wirklich hübscher und durchaus bewegender Film über ältere Briten (mit Judi Dench, Maggie Smith usw.), die in einem verfallenen Hotel in Indien einen ruhigen Lebensabend suchen und dann doch etwas Anderes finden. Und weil alles so klein und so eng und so unbequem war, ist mein Blick immer wieder abgeschweift: auf den Bildschirm eines Passagiers zwei Reihen schräg vor mir. Dort gab es dann eine heiße Liebeszene, so wie Hollywood es sich vorstellt, wenn ein Paar sich endlich zum ersten Mal liebt, und diese fand in weichem, warmem Licht und hinter Louvers statt. Das hat mich neugierig gemacht.
Also habe ich mir nach dem Happy End von Marigold Hotel noch diesen Film angesehen, The Lucky One (dt. Für immer der Deine). Es ist die Verfilmung eines gleichnamigen Romans von Nicholas Sparks, der allerdings statt in North Carolina in Louisiana spielt, wo man sich freigiebig der anderen Symbole und Stereotypen bedient: Lebenseichen, tolles Plantagenhaus, Zydecomusik usw. Die Schauspieler sind hübsch, die Landschaften auch und die Geschichte gibt sich ernst und dramatisch. Logan, ein ehemaliger Marine, macht sich von Colorado aus mit seinem Hund zu Fuß auf den Weg nach Louisiana, um eine junge Frau zu aufzuspüren, deren Foto er im Irakkrieg gefunden hat. Wie die etwas Voyeurismus suggerierende Szene hinter Louvers jedoch andeutet, kann ihre Liebe nicht einfach so drauf los erblühen, sondern es gibt einige Hürden. Er erzählt ihr nicht, wer er ist und woher er kommt; sie war schon einmal verheiratet und hat ein Kind; der Exmann ist ein dysfunktionaler Loser und Polizist, der sie terrorisiert und den Jungen zu einem Mann machen will und als Pfand gegen sie in der Hand hat. Logan hingegen ist ein richtig männlicher Engel, versteht sich mit allen prima und hält den Ex in Schach. Der ertrinkt in einer äußerst dramatischen Unwetterszene am Schluss und dann gibt es Friede Freude Eierkuchen.
Eine erstaunliche Stärke hat der Film: Er schafft es, eine Höchstzahl von Klischees in sich zu vereinen – Handlung (Liebe, böser Gegenspieler und dessen Tod, Krieg, Tod des Bruders, über den die Frau nicht hinwegkommt), Louisiana, die Art der Schauspielerei (sie wird einmal fuchtig und reißt Büsche aus und wirft Blumentöpfe um), lieber, gut aussehender Typ, scheinbar ganz ohne Frau, der trotz kurzem Hinweis auf PTSD am Anfang Hunde und Kinder liebt und Frauen auch. Ein kleines Detail hat mich doch beeindruckt: Beth war vor ihrer Heirat Mitglied der Leichtathletikmannschaft der Tulane University. 
Der Leuchtturm, der in dem bewussten Foto hinter Beth zu sehen ist und Logan zu ihr führt, befindet sich in Port Eads, ganz im Süden Louisianas, wo das Land in den Golf von Mexiko übergeht. Seit Hurrikan Katrina ist er nur noch vom Wasser und von der Luft aus zu erreichen.
Es soll insgesamt schon sieben Verfilmungen nach Nicholas Sparks geben und bei allen soll der Verbrauch von Tempotaschentüchern zu einem Engpass geführt haben. Bei uns lief der Film im Frühjahr und erreichte Platz 3. Gedreht wurde ausschließlich in der Gegend von New Orleans.

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Pralines


Gibt es eigentlich etwas Reineres, Ehrlicheres, Urigeres als puren Zucker? Das heißt: braunen Zucker, der aus Zuckerrohr gewonnen wird, wie es in Südlouisiana ausgiebig angebaut wird?
Wenn es dort herbstet, die Sonne tiefer steht und die Luft klammer wird, allerdings ohne bunte Blätter, dann werden die Zuckerrohrfelder abgeerntet und niedergebrannt, und ihr Rauch mischt sich mit dem aus den Schornsteinen der Raffinerien, und ein süßlich-verbrannter Geruch überzieht die Landschaft. Das hat etwas Heimelig-Melancholisches, denn es läutet den Winter ein, der dort natürlich nicht so lang und dunkel ist wie hier.
Mit braunem Zucker kann man raffinierte Sachen machen, zum Beispiel einen Mint Julep, einen schmackhaften Sommercocktail, den ich erst letzte Woche zum ersten Mal hier gemixt habe. Auch in Frankreich, wo ja das gute Essen erfunden wurde, schätzt man Rohrzucker sehr, aber das hängt wohl mit den strategisch platzierten Kolonien zusammen, von denen einige jetzt keine mehr sind und andere nicht mehr so heißen, sondern zu Landesteilen verschiedenen Ranges erklärt wurden (DOM-TOM) und damit ganz gut fahren, so dass sich die Einheimischen größtenteils den Dingen fügen.
Eine Krönung erlebt der Zucker jedoch in einer typischen kreolischen „Praline“ (in New Orleans sagt man: Praa-lien), die nicht besonders aussieht, aber warmherzig und gehaltvoll ist und unglaublich sanft. Wie immer gibt es verschiedene Rezepte, mit oder ohne Sirup oder Milch oder Schokolade. Immer dabei: Rohrzucker und Pecannüsse, die schmalen, braunen, dunkel und warm schmeckenden Nüsse mit der knackfreundlichen Schale, die dort in den Gärten wachsen. Bilder von Pralines hier und hier. Pecans hier.

Montag, 1. Oktober 2012

Ende einer Ära

Meine Freundin Lil schreibt heute auf Facebook:
"Es ist ein melancholischer Montag. Heute früh lag keine Zeitung vor der Tür..., es sei denn, man zählt das "Blau-und-Gold-Extrablatt", das ich persönlich als Beleidigung empfinde... Ich brauche keine Zusammenfassung des Standes von 0:4 für die Saints. Wenn man das drucken und ausliefern kann, warum dann keine richtige Zeitung? Ich habe es vor mir hergeschoben, aber jetzt bin ich so weit, dass ich den Advocate abonnieren werde."*
(It's a blue Monday. No paper on the doorstep this morning... well, not if you don't count the "Black and Gold Extra", which I personally find insulting... I don't need a re-cap of the Saints' 0:4 record. If they can print and deliver that, why can't they give us a real paper? I've been dragging my feet on it, but I'm ready to subscribe to the Advocate.)
*Die Tageszeitung The Advocate aus Baton Rouge hat kürzlich wieder ein Büro in New Orleans eröffnet und erscheint dort mit einer täglichen Ausgabe. Die Times-Picayune, die traditionsreiche und zutiefst verehrte Tageszeitung von New Orleans erscheint ab heute nur noch drei Mal wöchentlich als Druckausgabe.

New Orleans – ein Fragebogen


Interview mit Martha Pinney, 5. Klasse, Louise Mc Gehee School, New Orleans

New Orleans ist... eine interessante Stadt mit...schönen Bäumen. Ich mag das Essen.

Lieblingsort in New Orleans: Das French Quarter. Ich mag all die Geschäfte, und ich mag das Café du Monde.

Lieblingsgebäude: Ich glaube, das Bradish Johnson House in meiner Schule, weil es schön ist, und weil es mir gefällt, wie man es in eine Schule umgestaltet hat.

Was war es denn, bevor es eine Schule wurde? Es war eine Schule. Das heißt, eigentlich war es so eine Art Haus, für Menschen, ein ganz normales Haus, und dann hat man daraus eine Schule gemacht.

Lieblingsessen aus New Orleans: Beignets, weil die mit Puderzucker überhäuft werden, eine Schicht nach der anderen, und das macht mich glücklich.

Lieblingsmusikerin aus New Orleans: Amanda Shaw, weil ich wegen ihr angefangen habe, Geige zu lernen. Sie macht tolle Musik auf der Fiddel. Sie nennt sich Amanda Shaw and the Cute Guys (…und die hübschen Jungs), weil sie das einzige Mädchen in der Band ist und weil die Jungs im Hintergrund spielen.

Lieblingswort oder -ausdruck aus New Orleans: Who dat? Einfach, weil es lustig ist, und weil ich die Saints liebe, und Drew Brees. Also, who dat.

Passendster Spitzname für New Orleans: NOLA?

Liebste, hier nicht erwähnte Sache in New Orleans: Die Bäume, im City Park. Ich glaube, es ist die größte Ansammlung von Lebenseichen, und ich klettere gern darauf herum.

Wie kann die Stadt ihre Mordrate senken? Mehr Polizei, und man könnte strenger überwachen, wer in der Drogerie Drogen kauft, wer so etwas kauft, und vielleicht mehr Überwachungskameras.

Warum ich in New Orleans lebe: Erst einmal kann ich ja nichts dafür, aber ich würde auch nicht umziehen wollen, weil... erst einmal mag ich mein Viertel und ich will nicht alle meine Freunde zurücklassen. Ich liebe den Stil der Häuser. Und wie alt die Stadt ist.

Was ich an New Orleans am wenigsten mag: Also, mir gefällt es nicht, dass überall Müll herumliegt, dass ein Teil der Stadt einfach schrecklich aussieht. Da gibt es alte Gebäude, die nicht abgerissen werden, da gibt es Projekte, die mittendrin sind und dann einfach aufhören. Ich wünschte, man könnte das einfach besser handhaben.

Was die meisten nicht über New Orleans wissen: Ich weiß eigentlich nur, was alle wissen, also...

Meine New Orleans-Expertise: Ich lebe in New Orleans, und bin schon mein ganzes Leben hier.


Glossar:
Louise McGehee School: Private Mädchenschule im Garden District, von Kinderkrippe bis Highschool. Das Bradish Johnson-Haus ist das Hauptgebäude der Schule.

Café du Monde: Café am Jackson Square im French Quarter, in das jeder Tourist geht, um dort mit Zichorie versetzten Kaffee zu trinken und Beignets zu essen, eine Art Donuts oder Krapfen.

Amanda Shaw... stammt ursprünglich aus Covington, von der Nordküste des Lake Pontchartrain. Sie trat bereits zwei Mal in der McGehee-Schule auf.

Who dat? Wörtlich: Wer issn dis? Lautsprachliche New Orleanser Ausdrucksweise. Jetzt Schlachtruf der Fans der American Football-Mannschaft New Orleans Saints. Der ganze Spruch lautet „Who dat? Who dat? Who dat say dey gonna beat dem Saints?“—Wer issn dis? Wer issn dis? Wer sagt’n, dasser die Saints schlagen wird?





New Orleans Questionnaire


Interview with Martha Pinney, 5th grade, Louise Mc Gehee School in New Orleans.

New Orleans is... an interesting city with…pretty trees. I like the food.

Favorite place in New Orleans: The French Quarter. I like all the shops, and I like the Café du Monde.

Favorite building: I think the Bradish Johnson House in my school, because it’s pretty and I liked how they re-created it into a school.

What was it before it before it became a school? It was a school. Well, actually, it was sort of a house for people, just a normal house, and then they turned it into a school.

Favorite New Orleans food: Beignets, because they just stack powdered sugar on top of it, layer after layer, and it makes me happy.

Favorite New Orleans musician/s: Amanda Shaw, because she is the reason I started playing violin. She makes awesome fiddle music. She calls herself Amanda Shaw and the Cute Guys, because she’s the only girl in the band and she’s got the guys playing in the background.

Favorite New Orleans word or expression: Who dat? Just because it’s funny, and I love the Saints, and Drew Brees. And so, who dat.

Most apt New Orleans nickname: NOLA?

Favorite New Orleans thing not mentioned here: The trees, in City Park. I think it’s the largest collection of live oaks, and I like climbing them.

How can the city lower its murder rate? More police; they could be stricter about who buys drugs at the drugstore, who buys stuff like that, and maybe more surveillance cameras.

Why I live in New Orleans: First of all, I can’t really help it, but I wouldn’t want to move because… first of all, I love my neighborhood, and I don’t want to leave all my friends. I love the style of the houses. And how old the city is.

The thing I like least about New Orleans: Well, I don’t like how there's trash everywhere, how there's a part of the city where everything just looks awful. There’s old buildings not taken down, there are projects that are in the middle of projects but they just stop. I wish they could just do better on that.

What people don’t know about New Orleans is: I basically know what everyone knows, so...

My expertise on New Orleans: I live in New Orleans, and I've been here my entire life.