Mittwoch, 30. Mai 2012

Am Mississippi

„Hach, du hast es gut, als Freiberufler kannst du dir deine Zeit einteilen,“ höre ich oft von Festangestellten. Dabei vergessen sie aber meistens, dass wir oft keine Feierabende oder Wochenenden haben, und dass man meistens entweder zu viel oder zu wenig (bezahlte) Arbeit hat. (Im Moment etwas zu wenig, schickt Aufträge!)
Letzte Woche habe ich das aber wirklich luxuriös ausgenutzt und bin am Donnerstag Mittag aufs Land zu meinen Eltern gefahren, um mir einen Film anzusehen und hier darüber zu berichten. Ein Freund hatte mich vor ein paar Wochen darauf aufmerksam gemacht: die dreiteilige Dokumentation Am Mississippi (Der tiefe Süden, Blues und Baumwollfelder, Von Elvis zu Mark Twain) von Peter Adler. Inzwischen habe ich verstanden, wie so etwas funktioniert: Die Serie wurde 2010 zum ersten Mal ausgestrahlt und dann immer wieder abwechselnd auf Arte, 3sat oder Phoenix.
Die gesamte erste Folge ist Louisiana gewidmet, während es in der dritten Folge ganz schnell von Memphis, Tennessee, an St. Louis und anderen hunderten von Kilometern vorbei nach Hannibal, Missouri, geht, dem berühmten Geburtsort von Mark Twain, den er in Tom Sawyers Abenteuer beschrieben hat. (Inzwischen ist Hannibal allerdings viel zu touristisch, um wirklich noch an den Heimatort von Tom und Huck zu erinnern. Ich habe mich vielmehr in dem abgelegenen Örtchen Brussels, Illinois, dorthin zurückversetzt gefühlt, wo mein Onkel und ich mal auf einem Dorffest waren.)
Wieder einmal hat hier ein Regisseur interessante Leute ausfindig gemacht und vorgestellt, wenn auch nicht immer direkt am Mississippi. Es beginnt mit dem Cajun David Allemond, der durch das Atchafalaya Basin paddelt, eine riesige, durch menschliches Eingreifen entstandene Sumpflandschaft, sehr meditativ, wenn man mit Mückenspray versehen ist. Der englischsprachige Wikipedia-Artikel zeigt die Veränderung des Flussverlaufs und des Deltas übrigens in einer interaktiven Karte.
Dann geht es in das berühmte Café des Amis in Breaux Bridge, gleich östlich von Lafayette, wo die Cajuns und Kreolen u.a. ihre Musik- und Tanzkultur pflegen. In New Orleans porträtiert er den Schmied Darryl Reeves, der viele der historischen Kunstschmiedearbeiten in der Stadt restauriert. Dann besucht er den Hobbymaler Charles Simms, der seine eigenen Bilder lieber sammelt als verkauft und spricht mit dem berühmten Trompeter Kermit Ruffins.
Im Norden Louisianas wird ausführlich von Flohmärkten, Rodeos und anderen Aktivitäten im Staatsgefängnis in Angola berichtet, wo die Mehrzahl der Häftlinge lebenslang einsitzt, obwohl sich einige von ihnen, wie die aktuellen Recherchen der Times-Picayune zeigen, schon längst rehabilitiert haben. Die letzte Station in Louisiana ist bei der Autorin Anne Butler, die als Familienerbin die Greenwood-Plantage nördlich von St. Francisville bewohnt und aufrechterhält.
Das nächste Mal laufen die drei Folgen am 13., 14. Und 15. Juni jeweils um 9.45 Uhr auf ZDFinfo. Also hier, finde ich, hat das deutsche Fernsehen unsere Rundfunkgebühren mal richtig gut angelegt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen