Sonntag, 29. April 2012

Big Easy Justice


Dieser Tage machte man mich auf eine Serie aufmerksam, die auf dem amerikanischen Kabelsender Spike läuft: Big Easy Justice („Big Easy“ ist einer der Beinamen von New Orleans, „justice“ heißt Gerechtigkeit). Darin geht es um einen Kopfgeldjäger, der in New Orleans und Umgebung Leuten auf der Spur ist, die auf Kaution freigelassen wurden und sich dann der Gerichtsbarkeit entzogen haben. Im deutschen Fernsehen habe ich in einem schwachen Moment schon mal so eine Sendung gesehen, die allerdings auf Hawaii spielt – eine Reality TV-Sendung mit viel Action, die sich den Niederungen des menschlichen Daseins widmet.
Der Produzent von Big Easy Justice meint in der New York Times dazu: „Es ist nicht das New Orleans, das man im Kopf hat, wenn man ‚New Orleans’ hört... Es ist die dunklere Seite, die viele Leute nicht besuchen.“ Duh (Na nee): Natürlich geht niemand freiwillig in Problemviertel, warum auch?
Aber dennoch ist es sehr wohl das, was viele Amerikaner auch mit New Orleans assoziieren, denn es wird ihnen in unzähligen Filmen und Serien immer wieder vorgespielt: Armut, Rückschrittlichkeit, Rassismus, Korruption, Kriminalität und eine Unzivilisiertheit, deren feuchtfröhliche Kehrseite sie von Zeit zu Zeit genießen wollen: die Bourbon Street im French Quarter mit Stripklubs, Alkohol und scharfem Essen, und all das mit einer Prise Jazz, bitte. New Orleans, Louisiana ist für viele Amerikaner die Dritte Welt – die herablassende, falsche, skandalisierende Berichterstattung über Hurrikan Katrina hat es gezeigt.
Auf Youtube kann man einen Ausschnitt sehen (auf der Spike-Webseite heißt es, ich lebe in der falschen Region, um die Episoden zu sehen). Einige der Kommentare von Einheimischen dazu sprechen Bände: unanimous300 „Wieder einmal eine Fernsehsendung, die sich mit dem Elend und der Ungerechtigkeit, die anderen Leuten angetan wird, ein paar Dollars verdient... Haut bloß ab aus meiner Stadt. Haben wir nicht genug Sch... durchgemacht?“
blueplanet800 „Wir wollen in Ruhe gelassen werden, damit wir in Ruhe sterben können, gemeinsam mit unserer Kultur. Lasst uns in Ruhe...“
Wie wäre es denn einmal mit einer Reality TV-Sendung über die Leute, die den Snowball-Stand in Metairie betreiben, über die Bibliothekarinnen in der Stadtbibliothek, die Wärter im Audubon-Zoo, die Straßenbahnfahrer, die schwarzen Jugendlichen, die im French Quarter für ein paar Dollar Stepp tanzen oder auch meine Freundin Lil, die Französischlehrerin ist? Nicht so viele Verfolgungsjagden, nicht so viel Action, aber zur Abwechslung wirklich mal „Gerechtigkeit“ für New Orleans.

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