Donnerstag, 1. März 2012

Endstation Sehnsucht

Dieser Tage, da der französische Film The Artist bei den Oskars abgeräumt hat, habe ich einen anderen Oskar-Überfliegerfilm gesehen: A Streetcar Named Desire - den Film nach Tennessee Williams' Stück, einen Elia-Kazan-Klassiker, der 1951 für zwölf Oskars nominiert war und vier davon (darunter als bester Film) erhielt. Heute für einen solch sperrigen Stoff schwer vorstellbar: Es geht um das nicht Eingestehenkönnen unerfüllter Sehnsüchte, eine Südstaatendame in der modernen Welt der Arbeiterklasse, Alkoholismus, häusliche Gewalt, Vergewaltigung und schließlich das schrille Zerspringen der gläsernen Hauptfigur Blanche.
Blanche ist vor allem darauf bedacht, die Contenance und Fassade zu bewahren, neulich im Berliner Ensemble grotesk-klamaukig, hier von Vivien Leigh etepetete und sehr nervtötend. Ihre Schwester Stella dagegen steht ganz im Leben und zu ihrem Mann Stanley, von dem sie sich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt, hier gespielt von Kim Hunter. Der junge Karl Malden ist Blanches gutmütiger Verehrer Mitch.
Doch das wirklich Aufregende an diesem Film ist Stanley Kowalski oder Marlon Brando, der schon einfach so, blutjung, mit knallengem, verschwitzten T-Shirt beeindruckt, aber dann in seiner Darstellung die urige Männlichkeit, von der sich Blanche zugleich angezogen und abgestoßen fühlt, absolut authentisch und umwerfend verkörpert. (Im Internet habe ich gelesen, dass damit das Method Acting berühmt wurde.) Der Film ist in Schwarz-Weiß und wurde im Studio gedreht. New Orleans wird vor allem durch die eiserne, gewundene Treppe und durch die allgegenwärtigen Fensterläden angedeutet. 120 Minuten Filmgeschichte, die einem wirklich nahe gehen.

Endstation Sehnsucht läuft jetzt auch im Wiener Burgtheater, den beiden Rezensenten im Standard und in der Presse zufolge auf mitteleuropäische Temperaturen heruntergekühlt (dort auch noch einmal gute Zusammenfassungen des Inhalts). Schon wegen eines möglichen Wiener Einschlags (?) würde ich es mir gern ansehen... Die nächsten Termine sind 7., 9., 14., 16. und 26. März 2012, 19.30 Uhr. Im Berliner Ensemble, ich berichtete hier, läuft es das nächste Mal am 11. März um 18 Uhr.

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