Montag, 12. März 2012

Das Erwachen von Kate Chopin: ein Glossar

Grand Isle: Wörtlich „große Insel“, ist die größte der so genannten Barriereinseln im Golf von Mexiko, ca. 3 Stunden Autofahrt von New Orleans. Die Insel lebt vor allem von Touristen, die hierher zum Fischen kommen (es gibt einen kleinen Bootshafen), im Naturpark campen und Pelikane und gegebenenfalls Delfine beobachten oder an Festivals teilnehmen wollen. Deshalb findet man im Internet keine Informationen über die Ölraffinerie, die sich auch auf der Insel befindet. Es gibt auch viele private Ferienhäuser, die auf meterhohen Stelzen stehen. Als Barriereinsel ist es sozusagen die Aufgabe von Grand Isle, die Wucht der Hurrikane aufzunehmen und abzufangen. Laut Wikipedia ist die Insel alle 2,68 Jahre von einem Hurrikan betroffen und alle 7,88 Jahre direkt der Breitseite eines Hurrikans ausgesetzt. Als ich 2009 das letzte Mal auf Grand Isle war, war die Auswirkung von Katrina und Rita (beide 2005) deutlich zu sehen: Viele Geschäfte und Hotels gab es nicht mehr und die geographische Form der Insel war völlig verändert und verkleinert. Es war außerdem eine ganz neue Zufahrt zu der Insel gebaut worden.

Chénière Caminada: Das französische Wort chêne bedeutet Eiche, während das Wort chénière meines Wissens in Frankreich nicht bekannt sondern eine typische Cajun-französische Bildung in Louisiana ist und in etwa „mit Eichen bewachsener Kamm“ bedeutet. Auch Chénière Caminada gehört zu den Barriereinseln, obwohl sie technisch eine Halbinsel ist. Ich bin unwissentlich schon zig Mal darüber gefahren, denn die Staatsstraße 1 durchquert sie auf dem Weg nach Grand Isle. Chénière Caminada war schon 1893 von einem auch von Kate Chopin beschriebenen Hurrikan stark betroffen. Es befindet sich westlich von Grand Isle und ist über eine knapp 2 Kilometer lange Brücke mit der Insel verbunden. Bei der Anfahrt nach Grand Isle fährt man ungefähr die letzte Stunde durch Marschen, wo im Wasser immer wieder einzelne Bäume und Grasbüschel stehen. Eine scheinbare statische, aber doch lebendige, bizarre Landschaft.

Piroge: einfaches Holzboot in Einbaumform, das die Cajuns gern benutzen. Das Wort kam über das Französische aus dem Spanischen (piragua) ins Deutsche und Englische (Pirogue).

Quadroon: vom Spanischen cuarterón, vom Lateinischen quartus bezeichnet eine Person, die zu einem Viertel schwarze Vorfahren hat. Dementsprechend bezeichnet Octoroon jemanden mit einem Achtel schwarzer Vorfahren, die zumeist aus unehelichen Beziehungen von Schwarzen und Weißen hervorgingen. Im New Orleans der Vergangenheit waren Quadroons und Octoroons oft frei und nicht versklavt, was sich dann durch den Louisiana Purchase 1803 änderte. Diese Begriffe werden heute nur noch im historischen Zusammenhang verwendet.

Griffe: bezeichnete eine Person mit drei Viertel schwarzen Vorfahren und einem Viertel weißen oder indianischen Vorfahren. Siehe oben.

Bayou Brulow: In meinem Atlas von Louisiana ist es nicht verzeichnet und auch im Internet nicht zu finden. Vielleicht existiert es nach den vielen Hurrikanen nicht mehr? Ein Bayou ist ein stehender oder träge fließender Wasserarm, der durch Marschen und Sümpfe in einen See, Fluss oder Golf fließt. Der Begriff stammt vermutlich aus dem Choctaw-Indianischen und wird nur in Louisiana und angrenzenden Gebieten verwendet. Somit denkt man bei Bayou an eine exotische, ländliche, aber auch rückschrittliche Gegend, wo Cajuns leben. In den siebziger Jahren machten Linda Ronstadt und Paola (auf Deutsch) den Roy-Orbison-Hit Blue Bayou berühmt.

Grand Terre: Wörtlich „großes Land“, eine nordöstlich an Grand Isle anschließende Barriereinsel, die wie diese die Barataria Bay (Barataria-Bucht) zum Golf von Mexiko hin begrenzt. Auf der Insel befinden sich die Ruinen des Fort Livingston sowie ein Meereslaboratorium des Louisiana Department of Wildlife and Fishery und eine Station der Küstenwache. Es ist heute nur mit dem Boot zu erreichen. Auf dieser wie auch anderen Inseln war Anfang des 19. Jahrhunderts der legendäre Pirat Jean Lafitte aktiv, nach dem heute noch viele Orte benannt sind, so auch der Jean Lafitte National Historical Park and Preserve. Von der BP-Ölkatastrophe waren die Inseln natürlich auch betroffen.

Louisianamoos: Dieses deutsche Wort für Spanish moss („spanisches Moos“, Tillandsia usneoides) habe ich erst aus Das Erwachen gelernt. Es wächst in den Südstaaten an den Bäumen, besonders wo es feucht ist, und gleicht langen Bärten oder wahlweise Hexen- oder Prinzessinnenhaaren, die im Winde wehen. Es macht die Landschaft besonders verwunschen oder auch „gotisch“. Früher wurde Lousianamoos als Polster- und Verpackungsmaterial verwendet, zum Mulchen oder zum Ausstopfen von Voodoopuppen (laut Wikipedia). Es ranken sich Legenden darum und es gibt Lieder und Geschichten. Wichtig war es auch für den Bau von Wohnhäusern der Cajuns für die Herstellung von Bousillage (einer Mischung aus Spanischmoos und Lehm) als Material für die Wände zwischen den Holzpfosten. Die Verwendung von Bousillage in Louisiana ist ab Anfang des 18. Jahrhunderts nachgewiesen.

Akadier: Im Englischen Acadian, vom Französischen acadien, heute Cajun (sprich: Kejdschin). Nachfahren der französischen Siedler aus Akadien (der kanadischen Provinzen Nova Scotia, New Brunswick, Prince Edward Island), die zwischen 1755 und 1763 von den Briten deportiert wurden und sich vor allem im französischsprachigen Louisiana ansiedelten, wo sie auch ihre ländliche und auf Fischerei basierende Kultur fortführen konnten. Die Sprache der Cajuns hat seit den sechziger Jahren einen Wiederaufschwung erlebt, während die Kultur (Musik, Tänze, Essen, Karneval) ohnehin lebendig war. Heute sollen ca. 5 Prozent der Bevölkerung noch Französisch oder Cajunfranzösisch zu Hause sprechen.

Kreolen: Eigentlich die Nachfahren der Franzosen oder Spanier, so wie Kate Chopin oder ihr Ehemann. Heute bezeichnet kreolisch oft auch die Nachfahren französischsprachiger Schwarzer, die z.B. aus Haiti oder anderen Ländern der Karibik zugewandert oder aus anderen Gründen eine französische Kultur hatten. Die europäischstämmigen Kreolen verwahren sich oft gegen diese Verwendung.

Kate Chopin: Schriftstellerin (1850-1904) aus St. Louis, Missouri, einer damals wohl auch noch kreolisch geprägten Stadt, in der sich inzwischen vor allem der deutsche Einfluss durchgesetzt hat. 1870 heiratete sie Oscar Chopin und lebte mit ihm in New Orleans, nach seinem Bankrott in Cloutierville, Louisiana. Sie hatten sechs Kinder. 1882 starb ihr Mann und zwei Jahre später zog sie nach St. Louis zurück, wo sie zu schreiben begann und einen literarischen Salon betrieb. Das Erwachen rief einen Sturm der Empörung hervor und Kate Chopin starb, ohne den verdienten Ruhm genießen zu können. Das Wohnhaus und Museum in Cloutierville ist vor ein paar Jahren abgebrannt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen