Donnerstag, 20. Oktober 2011

Im Kid Creole in Friedrichshagen

Anfang Oktober, genauer gesagt am Nationalfeiertag, war ich im Kid Creole in Berlin-Friedrichshagen zum Essen eingeladen. Das ist nicht einfach nur ein Restaurantbesuch, es ist ein Ausflug, eine S-Bahn-Fahrt mit viel Grün und Sonnenschein; dann flaniert man die alleenhafte Bölschestraße entlang und isst zuvor noch ein Eis (mein Tipp: Sesam öffne dich, wirklich eine kleine Eröffnung).
Dann kehrt man in einen verwunschenen Hof ein, wo ich es schon sehnsuchtsvoll beäugt hatte: das Kid Creole. Man lümmelt unter Bäumen auf Korbmöbeln oder sitzt drinnen an geöffneten Glastüren. Das Haus ist alt und vielleicht wurde ein Geschoss herausgenommen, denn das Dach ist hoch und spitzwinklig und mit Balken. Die Wände sind ockerfarben und mit Sumpfszenen bemalt. Alles ist mit Kerzen ausgeleuchtet; es läuft dezente Countrymusik, und die Bedienung trägt dunkel mit langen Schürzen.
In der Speisekarte steht eine ganz ähnliche Einleitung wie im Louisiana Kid vor ein paar Wochen; auch einige Gerichte sind ganz ähnlich (Spinat mit Bananenscheiben!) und ich ahne, wer hier vom Kid Creole abgeschrieben hat. (Note to Self: Muss endlich mal den Unterschied zwischen Creole und Cajun erklären.). Wir bestellen Jambalaya und Shrimp Etouffée und einen Rosé-Wein, der dann doch sehr lieblich ist. Das Jambalaya ist einen Hauch zu tomatenmarkig. Es gibt zwar Rezepte mit Tomaten, aber der Hauptgeschmack ist normalerweise vor allem scharf und nicht tomatig. Ein Etouffée kenne ich als cremig und mit Krebsen und eher labbrig, während die Soße hier tiefbraun und sehr würzig und mit Sojasoße versetzt zu sein scheint. Doch wir lassen uns jeden Bissen auf der Zunge zergehen, und ich bestelle noch eine Extraportion Reis, weil es so gut schmeckt, in dem stimmigen Raum mit Blick auf die letzten Herbstsonnenstrahlen. Die Bedienung ist aufmerksam und alles irgendwie ruhig und liebevoll.
Dann fegte ein älteres Ehepaar an den Nebentisch, und ER fing an eifrig zu fotografieren, während SIE an immer anderen Plätzen nachdenklich oder lächelnd oder aufblickte oder in der Speisekarte blätterte. Als die Tochter mit Baby im Bauch und dessen Vater am Arm hereinkam, waren wir dann schon weggeblitzt. Im Nebenzimmer hatte sich eine Gruppe junger Leute zusammengefunden, und als ich so wartete, sah ich sie an der Decke: die Fahne Louisianas mit einem Pelikan und seinen Jungen und der Losung „Union, Justice & Confidence“ (Einheit, Gerechtigkeit & (Selbst)vertrauen). Hehre Wünsche, immer noch.
Das machte es dann doch echt und ernsthaft, ein rührend aufrichtiges Bemühen um ein Stückchen Louisiana in Berlin. Bei unserem Spaziergang zur Bahn gerieten wir in eine bizarre Demo gegen die Nachtflüge des neuen Flughafens, und also zurück nach Berlin. Trotzdem: Ein Ausflug nach Friedrichshagen, in wieder ein imaginäres Louisiana—jederzeit wieder!

2 Kommentare:

  1. Ich mag (bzw. mochte) die „Kentucky Beef Sausages“, Bratwürste vom Galloway, ich weiß gar nicht, ob die noch auf der Karte stehen. Das dürften sie eigentlich nicht mehr, denn der Lieferant (www.gutes-vom-lande.com) hat sie aus dem Programm genommen. Schade!
    Ich war vor ca. zwei Wochen im Hofladen in der Chemnitzer Straße in Kaulsdorf und musste diese Nachricht zur Kenntnis nehmen, gutes Fleisch sowie andere Wurstprodukte gibt’s aber weiterhin.
    Die Tiere stehen übrigens östlich von Pasewalk unweit der polnischen Grenze.

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  2. Auf der Karte im Internet stehen die Kentucky Beef Sausages noch drauf; es gibt ja auch noch andere Galloway-Lieferanten (z.B. hier http://www.landhotel-loewenbruch.de/pdf/Galloway-Prospekt.pdf). Wenn man aber vom Fleisch Essen abgekommen ist, ist es gar nicht so einfach, gut louisianisch zu speisen.

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