Sonntag, 18. September 2011

Down By Law von Jim Jarmusch (1986)

New Orleans ist eine Stadt der Phantasie, und es ist eine Stadt in der Phantasie. Sie eignet sich hervorragend für Projektionen und bietet eine beliebte Szenerie für Filme aller Art. Auch und vielleicht besonders nach Katrina, wo die Zahl an Dokumentarfilmen Weltspitze sein dürfte. Ansonsten sind es oft Krimis mit korrupten und lasterhaften Detektiven, Verschwörungen und Voodoo, Karneval, Sex, Drogen, Jazz—gängige Klischees werden ungern weggelassen. Eine wohltuende Ausnahme: die Fernsehserie Treme.
Eine Ausnahme der ganz anderen Art ist der Film Down By Law, den ich jetzt wieder gesehen habe. Für Regisseur Jim Jarmusch bedeutete dieser Film damals den internationalen Durchbruch und er ist, ich habe es mir ungläubig bestätigen lassen, sogar bis in die DDR durchgebrochen, wo wir ihn im Babylon das erste Mal gesehen haben. Wenn man noch mit Schwarz-Weiß-Fotos aufgewachsen ist und die sowjetischen Kunstfilme der Zeit kannte, dann war die Schwarz-Weiß-Ästhetik gar nicht so außergewöhnlich. Und sie ist es doch. Überhaupt ist ein Arthouse-Film über New Orleans und Südlouisiana äußerst außergewöhnlich.
Ein paar Klischees finden sich auch. John Lurie spielt einen Zuhälter und die Frauen in New Orleans sind hübsch und sie sind Nutten; es gibt fiese, hinterhältige Polizisten und Gauner, die den Gauner übers Ohr hauen. Aber das war es dann fast. Tom Waits ist ein Radio-DJ, dem immer gekündigt und der von seiner Freundin auf die Straße gesetzt wird. Und zum Glück bleibt es nicht bei den beiden missgelaunten, sich ständig kabbelnden Helden, denn Roberto Benigni taucht auf und ist wie immer: überschäumend, fröhlich, komisch.
Auch Jim Jarmusch (der vor dem Drehen noch nie in New Orleans war) projiziert, doch er tut es offensichtlich und kunstvoll. Robby Müllers schwindelerregende, verwischte Kamerafahrten führen durch eine fast menschenleere, verfallende, morbid-schöne Stadt. Die Sonne scheint, doch der Winterhimmel ist kalt. Sogar einige der Housing Projects (Sozialwohnprojekte), die jetzt abgerissen werden sollen oder es schon sind, sind malerisch verfremdet. Und wir sind nicht im filmisch abgegrasten French Quarter, sondern in den Wohnvierteln daneben, im Marigny zum Beispiel, wo Tom Waits an der verlassen aussehenden Commercial Trust and [Savings Bank] vorbeiwankt. (Wobei sich das Marigny seit damals ziemlich belebt hat.)
Es gibt weitere Einsprengsel von Realität: Tom Waits erwähnt die Radiosender WWOZ (den hörergesponsorten, legendären Jazzsender) und WYLD (einen R & B-Sender); die drei Hauptfiguren sitzen im Orleans Parish Prison (im städtischen Gefängnis) ein, wo sich die Schauspieler übrigens über Nacht haben einschließen lassen. Es ist dasselbe Gefängnis, wo während Katrina die Gefangenen sich selbst überlassen waren und wo Ashley Hunt Nachforschungen darüber anstellte.
Die Szenen sind kammerspielartig, jedes Bild ein Tableau und in ihrer Dramatik mit einem Hauch Tennesse Williams. Selbst die Sümpfe, wo die drei tagelang herumirren, sind seltsam ausgestorben. Tom Waits erzählt zwar von den Gefahren: Schlangen! Insekten! Alligatoren!, aber es sind nicht einmal Vögel zu sehen, die unweigerlich dort herumstehen, und keine erbarmungslosen Mücken.
Und doch ist das die Stärke des Films. Zwar spricht Tom Waits im Interview auch über seine Anziehung zu New Orleans als Geburtstätte der amerikanischen Musik und so weiter. Doch im Film ist es nur der exotische Hintergrund für eine kleine Geschichte, die nicht mehr sein will als eine kleine Geschichte. Ein charmanter Film, wo man sich an der Kulisse erfreuen und trotzdem keinen ganz falschen Eindruck bekommen kann. 

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